Redewendungen und ihre Bedeutung: jedes Wochenende erklären wir in leicht verständlicher Sprache Herkunft und weiteres Wissenswertes über gebräuchliche Phrasen der deutschen Sprache. Heute: „Aus dem letzten Loch pfeifen“.Auf dem Rückweg von der Disko werden Sie plötzlich an einer dunklen Ecke von drei betrunkenen Gestalten überrascht, die Ihnen an Ihre heiße Wäsche wollen. Natürlich rennen Sie weg, so schnell wie möglich. Doch schon an der nächsten Kreuzung merken Sie, wie Ihnen die Kräfte schwinden, dass Sie Schwierigkeiten haben zu atmen, dass Sie „aus dem letzten Loch pfeifen“. Doch halt! Woher kommt wohl bloß dieser rätselhafte Ausdruck?
Sprachwissenschaftler sind sich heute einig, dass die gebräuchliche Phrase „aus dem letzten Loch pfeifen“ schon im 18. Jahrhundert seinen Weg in die deutsche Sprache fand. Dabei ging man noch vor wenigen Jahren davon aus, dass man erst sprichwörtlich seit Beginn der 1920er „aus dem letzten Loch pfiff“. Damals gab es in Berlin den Jazz-Club „Das letzte Loch“, eine zunächst illegale Einrichtung, die sich aber größter Beliebtheit erfreute. Um nicht die Polizei auf sich aufmerksam zu machen, standen in der Tür des Etablissements zwei unauffällige Männer, die potenzielle Kunden mit einem dezenten Pfiff den Weg zum Jazz-Schuppen zeigten. Es wurde also „aus dem letzten Loch gepfiffen“. Diese Erklärung war aber immer umstritten, denn damit war nicht erklärt, warum Menschen in Momenten größter Anstrengung und Erschöpfung aus dem letzten Loch pfeifen sollten.
Erst vor etwa zehn Jahren kam der Duisburger Philologe Dr. Martin Klaaßen bei Durchsicht einiger älterer Tagebücher aus seinem Bestand zufällig der Herkunft der Redewendung auf die Spur.
Klaaßens Erkenntnissen zufolge kam es im Jahre 1737 in einem Gebirgszug nahe St. Pölten zu einem Unglück: ein junger Mann, der Mitglied einer neunköpfigen Gruppe war, fiel während einer Wanderung in ein Loch. Da es spätnachts war und sehr dunkel, konnten seine Kameraden ihm zunächst nicht helfen. Sie mussten die Morgendämmerung abwarten. Und da zeigte sich das Dilemma: vor ihnen taten sich insgesamt acht Löcher auf! Ihr Wanderkumpel konnte also in jedes dieser Löcher gefallen sein. Da Eile geboten war, entschied man sich dazu, dass jeder der acht übrigen Männer in jeweils eines der Löcher hinabstieg um dort nach dem Vermissten zu suchen. Man verständigte sich darauf, dass derjenige, der den Verunglücktan fand, laut zu pfeifen beginnen sollte, um die anderen zu benachrichtigen.
Und wie immer in solchen Fällen: natürlich war es das letzte, das achte Loch, in das der junge Mann gestürzt war. Vollkommen erschöpft von dem Kräfte zerrenden Abstieg, schaffte es der Helfer noch, einen letzten, sehr lauten Pfiff abzusetzen. Schnell wurden Helfer und Verunglückter aus ihrer misslichen Lage befreit. Neben ein paar kleineren Narben und Wunden blieb von diesem Ausflug vor allem eins: der noch heute bekannte Ausdruck „aus dem letzten Loch pfeifen“.
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Nächsten Samstag klären wir Sie über die Herkunft des Ausspruchs „Mein lieber Scholli” auf!
E wie Wissen VI – „Grün vor Neid werden“
E wie Wissen V – “An die Decke gehen” und “Halt die Ohren steif”
E wie Wissen IV – “Halt die Luft an” und “Mach Dir mal nicht ins Hemd”
E wie Wissen III – “Da wird der Hund in der Pfanne verrückt” und “Jemanden hinters Licht führen”
E wie Wissen II – “Mein lieber Herr Gesangsverein” und “Etwas in den falschen Hals bekommen”
E wie Wissen I – “Zu Potte kommen” und “Auf die Kacke hauen”